Das Hanseatische Oberlandesgericht (HOLG) hat die drei
Beamten der bayerischen Grenzpolizei, die die Fest- nahme von Dr. Löffler vornahmen, zur
schriftlichen Darstellung dieses Vorgangs aufgefordert. Zuerst traf eine
Stellungnahme ein, die von den drei Beamten gemeinsam unterzeichnet war.
Um den Eindruck einer offensichtlichen Absprache zwischen den Beamten
etwas abzumildern, wurden dann drei getrennte Stellungnahmen angefordert.
Diese brachten natürlich nichts Neues ans Tageslicht. Ebenso lagen
schriftliche Protokolle von Gerlinde Ruhdorfer und Dr. Löffler vor. Das
letztere war in der U- Haftanstalt Holstenglacis in Hamburg zu Papier
gebracht worden.
Die Anträge des Verteidigers von Dr. Löffler, die offensichtlichen
Widersprüche zwischen den Stel- lungnahmen der Polizei einerseits und
Ruhdorfer/Löffler andererseits durch persönliche Einvernahme der
Beteiligten, eventuell auch durch Einvernahme weiterer österreichischer
Zollbeamter vor Gericht aufzuklären, lehnte das HOLG ab. Damit war klar,
dass es dem Gericht gar nicht auf die genaue Tat- sachenfeststellung ankam
oder aber, dass - wie so oft - die Darstellung eines Vorganges von drei
deut- schen Polizeibeamten grundsätzlich nicht zu bezweifeln ist.
Um sich aber gründlich abzusichern, brachte das Gericht zusätzlich
zum Ausdruck, dass das Bundesver- fassungsgericht in Karlruhe bisher in ähnlichen
Fällen - also, wenn doch eine Verletzung des Völker- rechts vorgelegen
haben sollte - ein Verfahrenshindernis ausgeschlossen hat.
Diese Vorgehensweise des Oberlandesgerichts in Hamburg steht im
Widerspruch zu Art. 100 Abs. 2 des deutschen Grundgesetzes (GG). Dort
heißt es :
"(2) Ist in einem Rechtstreit zweifelhaft, ob eine Regel
des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrech- tes ist und ob sie unmittelbar
Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das
Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen."
Wilske führt dazu in seiner Dissertation (s. u.a. "Die
völkerrechtswidrige Entführung und Ihre Rechts- folgen", S.
337) aus:
"Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100
Abs. 2 GG ist bereits dann geboten, wenn das erkennende Gericht bei der Prüfung
der Frage, ob und mit welcher Tragweite eine allgemeine Regel des Völkerrechts
gilt, auf ernstzunehmende Zweifel stößt, mag das Gericht auch selbst
keine Zweifel haben (Vgl. zuletzt BVerfG NJW 1998, 51,51 m.w.N.)"
Das HOLG in Hamburg hat in grober Weise gegen das Grundgesetz verstoßen,
denn der deutliche mündliche und schriftliche Vortrag der Verteidigung
von Dr. Löffler in der Hauptverhandlung hinsichtlich seiner Festnahme in
Österreich und die Prüfungsanträge (s. o.) können nicht in Abrede
gestellt werden.
|