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Haftbedingungen (Ein Auszug aus meinen Aufzeichnungen)  

Kapitel 1)

Der Anfang einer Katastrophe

Die Presse und Medien sind auf ihre Kosten gekommen. Die Nachbarn dachten, dass mir ein Orden verliehen würde oder „der hat vielleicht im Lotto gewonnen“. In einer braven bürgerlichen Wohngegend tauchten plötzlich das Fernsehen und ein Schwarm von Journalisten auf. Keiner merkte, dass ein Vertreter der Bundesanwaltschaft und ein paar Kripobeamte dabei waren. Ein Rudel umschwärmte das Haus. Einige drangen in den Hausflur ein. Andere betraten das Grundstück auf der Rückseite und fotografierten durch das Fenster, in dem ich mein Büro hatte. Das bekommt man nicht alle Tage zu sehen bzw. auf dem Film festzuhalten: Ein richtiger DDR- Agent und dazu auch noch eine „Spitzenquelle“, wie ein Vertreter des Verfassungsschutzes öffentlich im Fernsehen verlauten ließ. Aber da saß ich schon in U- Haft in einer Einzelzelle, so ungefähr 6 qm „Wohnfläche“ waren mein Zuhause geworden. 

Eins nach dem anderen. Etwas triumphierend sprach Kriminalrat oder Kriminaloberat M. Anfang September 1990 den Haftbefehl gegen mich aus. Im Polizeihochhaus war ich vorsichtshalber schon vorher festgehalten bzw. dorthin gebracht worden. Aber nach ca. 1 1/2 Stunden standen alle Ampel auf Grün: „Ich spreche hiermit den Haftbefehl gegen Sie aus“. Hineinbugsiert in das Polizeiauto fuhren wir zum Stadtgefängnis. Ich mit Handschellen, der Kriminalbeamte M. und sein Kollege, dessen Name ich vergessen habe, dienstbeflissen. Die erste Station in der U- Haft war eine Auffangzelle, die M. wohl schon öfters gesehen hatte. Er sagte zu mir fast entschuldigend: Hier standen schon manchen die Tränen in den Augen. Es war ein verschmiertes Loch von ca. 2 qm, also meine Vorgänger hatten die Wände verschmiert, trübes Neonlicht konnte das nicht kaschieren und eine Lüftung gab es auch nicht. Als die Tür hinter mir ins Schloss viel, bemerkte ich einen Knopf und einen kleinen eingebauten Lautsprecher. Nach ca. 3/4 Stunde wusste ich, was zu tun war. Mal den Knopf drücken und siehe da, eine Stimme meldete sich: Was gibt´s? Ja, Herrgott nicht viel. Ich hatte ja Nichts mehr. Schlüssel, Kamm, Taschentuch und sonstige Utensilien hatte man mir schon vorher abgenommen. Ich fühlte mich etwas nackt und sagte, ich muss mal. Rückblickend muss ich feststellen, der Rechtsstaat war 1990 noch nicht ganz ausgehebelt worden, vielleicht war es aber auch die humane Grundhaltung eines Gefängnisbeamten: Ich durfte zur Toilette gehen und pinkeln. 

Es gibt noch etwas Positives zu berichten: Als ich nach ca. 2 Stunden aus diesem Loch, wo anderen die Tränen gekommen sind, in den zweiten Stock des Gefängnisses gebracht wurde, sagte der Stationsleiter zu mir mitfühlend: Sie waren noch nie in einem Gefängnis. Ich muss sie auf einiges vorbereiten: Sie kommen gleich in eine Zelle, vorher bekommen Sie – auch, wenn es außerhalb der Zeit ist-, etwas zu trinken und zwei Schnitten Brot. Aber dann müssen Sie alle Sachen abgeben und ihre Taschen leeren. Also sah ich doch nicht so nackt aus, wie ich mich fühlte. Der Beamte war etwas erstaunt, dass meine Taschen in meinem Sakko und meiner Hose alle schon entleert waren. In relativer Freiheit durfte ich dann auf dem Flur des Gefängnisses etwas essen und trinken. Dann wurde ich in eine richtige U- Haft- Zelle eingesperrt. Diese war etwas grösser, als die, wo offenbar schon etliche Tränen geflossen waren. Vielleicht 8 qm. Eine Bridge, ein Waschbecken und ein Klo ohne Deckel. Hier waren die Wände nicht verschmiert. Eine Nacht sollte ich hier verbringen, bis ich dem Untersuchungsrichter in Karlsruhe vorgeführt werden sollte, der den Haftbefehl innerhalb von 24 Stunden zu bestätigen hatte (oder auch nicht). Also so richtig war ich wohl noch nicht verhaftet. Eben nur halb. Deswegen ist mir auch wohl noch etwas Positives in Erinnerung. Nein, ich will die BRD nicht nachträglich in den Boden stampfen. Was gut ist, muss auch gesagt werden. Ich werde das Folgende nie vergessen, weil ich auf den Luxus etliche Monate verzichten musste: In dieser Zelle gab es warmes Licht. Kein kaltes Neon- Licht, dass mich später fast zum Verzeifeln bringen sollte. Nein, es war über dem Spiegel zwar eine Neonröhre, aber sie strahlte ein leicht gelbes Licht aus. So ungefähr wie eine Glühlampe im Wohnzimmer zu Hause. Leider habe ich das nicht richtig genossen, denn ich wusste nicht, was mich später erwarten würde. Mir ist es rätselhaft, wie ich in dieser Nacht schlafen konnte. Vielleich nicht ganz so fest wie gewöhnlich. Aber immerhin. Die Folgen dieser ganzen Aktion kommen mit einer Zeitverschiebung. Es waren jahrelange Schlafstörungen, auch viele Alpträume, als ich schon längst in Vergessenheit geraten war. Die DDR war schon längst ein Randthema geworden. Sie war ja auch von einer Sekunde auf die andere vom 2. Oktober 1990 auf den 3. Oktober untergegangen. Aber ich nicht. Ich war Gegenstand eines Phänomens, das sich DDR nannte, aber gar nicht mehr existierte und trotzdem deswegen, also wegen des vergangenen Phänomens strafrechtlich verfolgt wurde. Was dort Rechtens war oder nicht wurde jetzt auf ein paar Hundert Menschen projiziert. Was Rechtens oder nicht Rechtens in der BRD war, die sich als Rechtsnachfolger des 3. Reiches verstand, wurde selbst im Falle von Todesurteilen in der Zeit von 1933 – 1945 danach nie strafrechtlich richtig verfolgt.  Die Strafverfolgung von sogenannten DDR- Unrecht erinnert mich an das Verdrängen eigener Schuld. Das hat mehr mit dem Mittelalter als mit der Aufklärung zu tun.  Ich könnte jetzt böse werden, aber eine Vorlesung über Hexenverbrennung habe ich nicht gehört.

 

Am nächsten wurde ich um 6 Uhr geweckt. Mehrere Stunden saß ich mit den gleichen Beamten in einem Mercedes. Wir mussten rechtzeitig in Karlsruhe beim Bundesgerichtshof sein. Der dort zuständige Richter D. musste den Haftbefehl innerhalb von 24 Stunden bestätigen oder aufheben. Leicht erschöpft kamen wir rechtzeitig vor Ort an. Ein Rechtsanwalt war für mich noch nicht anwesend. Ich selbst hatte während der bisherigen vorläufigen Verhaftung keine Möglichkeit, mich darum zu kümmern. Das wäre technisch auch gar nicht möglich gewesen. Meine Geldbörse und sonstigen Utensilien hatte man mir ja bereits tags zuvor abgenommen. Ich kannte auch keinen Strafverteidiger, den ich hätte anrufen können. Ein guter Bekannter aus der CDU, es war der Einzige aus der Partei und ein Rechtsanwalt, dem der Medienrummel etwas eigenartig vorkam (in diesem Stadium war er ja rechtswidrig, wie Einzelheiten an die Medien aus der Umgebung der Staatsanwalt oder Bürgerschaftskanzlei in die Öffentlichkeit gerieten) nicht entgangen war, hatte aber, wie sich herausstellte, einen Strafverteidiger mobilisiert. Er war mit der Lufthansa auf dem Wege nach Karlsruhe. Ich durfte derweil unter Bewachung durch die beiden Kriminalbeamten eine Tasse Kaffee trinken …….

Nach ca. 1 ½ Stunden traf der Strafverteidiger in aller Eile ein, ebenfalls gestresst. Wir hatten ca. 30 Minuten Zeit, uns kennenzulernen und meine Verteidigung für die bevorstehende Vernehmung durch den Untersuchungsrichter vorzubereiten. In der Kürze der Zeit konnte dabei nicht viel herauskommen. Ich saß also wenig später vor dem U- Richter. Der Anwalt an meiner Seite, der Bundesstaatsanwalt und die beiden Kripobeamten auf der anderen Seite links von mir. Ich war völlig unerfahren. Heute weiß ich, dass es für die anderen nur eine Routine war. Ohne auf meine Aussagerecht (und das am deutschen Bundesgerichtshof !) hingewiesen zu werden, beantwortete ich Fragen zu meinen DDR- Kontakten. Sie wurden protokolliert und ich war sogar so blauäugig, meine Unterschrift darunter zu setzten. 

Plötzlich klingelte das Telefon. Ein anderer Rechtsanwalt meldete sich unaufgefordert. Auch er hatte über die Medien von meiner Verhaftung erfahren und befand sich zufällig nicht weit von Karlsruhe entfernt. Die Verhandlung war mit meiner Unterschrift eigentlich beendet und nur der Spruch des Richters abzuwarten. Dieser verkündete großzügig eine Unterbrechung der Sitzung. Als der zweite Rechtsanwalt- es war der bekannte Strafverteidiger aus Hamburg – Rechtsanwalt Gerhard Strate - konnte dieser nur noch erreichen, dass ich nicht in Karlsruhe oder was die Kripobeamten gerne wollten, in Bonn, da sie dort in der Nähe Ihren Dienstsitz (Meckenheim) hatten, in Haft genommen wurde. Der Richter ordnete an, dass ich mit dem PKW nach Hamburg, wo ich seit fast 30 Jahren wohnte, dort in die U- Haftanstalt zu bringen sei. Der Haftbefehl war vorher von ihm bestätigt worden.

 

Die Kripobeamten waren verstimmt. Sie hatten bald Feierabend und eine Fahrt nach Hamburg hätte bei flotter Fahrt sicher 6 – 7 Stunden gedauert. Deswegen leuchtete mir ein, dass ich erst nach Bonn ins Gefängnis gebracht wurde. Dieser Umstand wurde aber geschickt von den Beamten genutzt. Sie kümmerten sich nicht weiter um die Anweisung des Richters. So wurde ich mit einem normalen Gefängnistransportwagen am übernächsten Tag nach Hamburg verfrachtet. Diese Fahrt dauerte 5 Tage (!). Etliche Zeit später bin ich mal 10 Tage auf diese Art und Weise transportiert worden. Deswegen will ich meine Erlebnisse in diesen Tagen im Gefängnistransportwagen, also in einem Bus, wie es bis dahin in der BRD üblich war, hier nicht im Einzelnen beschreiben. In Hamburg angekommen, empfand ich, den anderen Insassen des Transports ging es wohl nicht anders, die Ankunft in einem Gefängnis, es war die U- Haftanstalt Holstenglacis, fast als eine Befreiung. Natürlich konnte objektiv gesehen davon keine Rede sein. – Das Gefängnis (in der damaligen Zeit also vor und 1990 bis 1995) war oder ist ein Schandfleck für eine Kulturnation, wie es die Deutschen für sich in Anspruch nehmen. Verantwortlich dafür waren oder sind aber nicht die “kleinen“ Beamten, die tagtäglich die Zellentüren auf – bzw. abschließen, z.B. wenn die Insassen die Verpflegung entgegennehmen. Im Gegenteil, auch diese Beamten haben mein Mitleid, denn sie müssen mit ansehen, wie so mancher Insasse, für den immer noch die Unschuldsvermutung gilt, in seiner Persönlichkeit nicht selten zerstört wird, zumindest aber schleichend seine Persönlichkeit verliert. Je länger die U- Haft, je deutlicher der Zerstörungsprozess.  Deswegen auch die meisten Suizide in solchen Anstalten.

                                                           

Kapitel 2)

Auch in der BRD ist die Androhung von Gewalt gegenüber festgenommenen Personen nicht in jedem Fall eine strafbare Handlung – Ein Widerspruch zur Folterkonvention.

  Die derzeitigen Medien- und Presseberichte über vermutete Folter von des Terro­rismus verdächtigen und entführten Menschen außerhalb der USA, wobei der amerikanische Geheimdienst CIA dies veranlasst und organisiert haben soll, sorgt auch bei deutschen Politikern für mehr oder weniger deutliche Verurteilung dieser völkerrechtswidrigen Praktiken. Unbekannt dürfte allerdings sein, dass auch in der Bundesrepublik bei der Festnahme von Personen, auch dann, wenn die Festnahme schon erfolgt ist, die Androhung von Gewalt bei der Identifizierungder Verdäch­tigen nach mir vorliegender Auskunft der Staatsanwaltschaft Traunstein (Bayern) nicht vom Staatsanwalt verfolgt wird, obwohl die Bundesrepublik Signatarstaat der (Anti- ) Folterkonvention ist.

 

  Folgender Sachverhalt liegt meiner Feststellung zugrunde:

Als ich im Zuge meiner gewaltsamen Entführung aus Österreich durch drei baye­rische Polizeibeamte am 25. Juli 1994 jenseits der österreichisch- deutschen Gren­ze auf deutschen Gebiet nur wenige Meter von der Grenze entfernt in eine kleine Polizei­station in Bayerisch- Gmain (bei Bad Reichenhall) gebracht wurde, begann die kriminaltechnische Identifizierung meiner Person. Einer der Entführer, ein Poli­zeihauptkommissar (sein Name ist bekannt), bedeutete mir gleich zu Beginn dieser Maßnahme, dass ich zur Feststellung meiner Identität meinen Namen sagen müsse, andernfalls könne er Gewalt anwenden, um mich dazu zu zwingen. Ich war noch gar nicht zu Wort gekommen, hatte mich also noch gar nicht verweigert. Der Polizeibeamte unterstrich seine Absicht damit, in dem er die Handschelle an meiner linken Hand anzog, so dass ich einen deutlichen Schmerz verspürte.

 

  Mir war klar, dass die drei anwesenden Polizeibeamten nicht lange zögern würden, um so zu verfahren, wie angedroht. Außerdem war mir klar, dass die Beam­ten schon längst, nämlich auf österreichischem Staatsgebiet, meine Identität kann­ten, was sich durch spätere Akteneinsicht auch bestätigte. Ich nannte also meinen Na­men.

 

Spätere Recherchen ließen mich wissen, dass schon die Androhung von Gewalt in dieser Situation ebenfalls der Folterkonvention widerspricht. Die Begebenheit im Juli 1994 fiel mir wieder ein, als der Fall des stellvertretenden Frankfurter Poli­zei­präsidenten publik wurde. Ich holte – nach dem ich die öffentlichen Diskussio­nen über den vorgenannten Fall eine Zeit lang verfolgt hatte - meine alten Akten wieder hervor, wandte mich am 23.02.2004 mit einer Beschwerde an das Polizei­präsidium Oberbayern  und erhielt am 11.05.2004 folgende Auskunft vom leiten­den Ober­staatsanwalt in Traunstein (Bayern), bei dem der Vorgang, also meine Be­schwerde, schließlich angelangt war.

 

  „Die Staatsanwaltschaft (ist) berufen, über das Verhalten von Polizeibeamten zu entscheiden, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, durch eine strafprozessu­ale Maßnahme in seinen Rechten verletzt zu sein oder wenn sich die Beschwerde gegen eine Maßnahme richtet, die auf einer Anordnung der Staatsanwaltschaft beruht.“

  Weiter heißt es:

  „Ich habe die Akte aus dem Jahr 1994 (Anmerkung: Verhaftung in Österreich) herbeigezogen. Aus dem Ermittlungsverfahren 530 Js 36457/94 ergibt sich, dass Ihre Festnahme nicht aufgrund strafprozessualer Maßnahmen, sondern im Rah­men einer Identitätskontrolle bei der Grenzabfertigung erfolgt ist“.

Schließlich führt der Staatsanwalt aus:

  „Insoweit ist die Staatsanwaltschaft daher zur Überprüfung des Verhaltens des Polizeibeamten nicht zuständig“ und „Daher habe ich Ihre Beschwerde dem Poli­zei­präsidium Oberbayern zur Entscheidung vorgelegt“.

 

 Aus der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft ergibt sich also, dass im Falle der Gewaltandrohung bei einer Identifizierung, in diesem Fall hatte ich mich gar nicht dagegen gewehrt, die Androhung von Gewalt nicht Sache der Strafverfolgungsbe­hörden der Bundesrepublik ist, denn eine Identifizierung ist keine „strafprozessua­le Maßnahme“. In solchen Fällen besteht also ein quasi rechtsfreier Raum, in dem allein die Polizeibehörden evtl. weitere „Maßnahmen“ gegen ihre Beamten be­schlie­ßen können oder nicht.

 

  Als ich nicht nur mein Erstaunen darüber zum Ausdruck brachte, sondern darauf hinwies, dass in Österreich 1994 ein deutscher Haftbefehl durch deutsche Beamte gegen mich vollstreckt worden war und dies durch die Akten belegen konnte, also doch die Identifizierung auf der Polizeistation in Bayerisch Gmain eine „strafpro­zessuale Maßnahme“ war, die Staatsanwaltschaft also offenbar nicht des Lesens von Akten kundig war, wurde aus meiner Beschwerde eine Strafanzeige wegen „Aussa­geerpressung“. Zwischenzeitlich waren aber ca. 5 Monate seit meiner ein­gangs erwähnten Beschwerde vergangen und am 2. August 2004 erhielt ich die Mitteilung vom Generalstaatsanwalt in München, dass die angezeigte Straftat des Polizeibeam­ten verjährt sei, nachdem 4 Tage vorher das Ermittlungsverfahren gegen diesen Beamten eingestellt worden war.

 

 Die Einstellungsbegründung: Aus den damaligen polizeilichen Stellungnahmen ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine Straftat. Wirklich sprachlos hat mich aber das zweite Argument gemacht, denn aus den schriftlichen Augenzeugenberichten meiner Lebensgefährtin vom 17.10.1994 ergäben sich keinerlei entsprechende An­haltspunkte. Das konnte auch nicht der Fall sein, denn sie war zwar bei der überfall­artigen, unter Gewaltanwen­dung erfolgten Verhaftung auf österreichischem Staats­gebiet dabei, aber natürlich nicht bei meiner „Identifizierung“ in einer deutschen Polizeistation. Dazwischen lag nämlich die völkerrechtswidrige Entführung meiner Person von Österreich in die BRD.

 

Ein Schelm, wer sich Böses bei der Argumentation der bayerischen Staatsanwalt­schaften denkt.

Gerd Löffler, 10. August 2010 Großgmain

Kapitel 3)

 

Der erste Tag nach der Entführung von Österreich nach Deutschland

Aktennotiz (hier Abschrift der handschriftlichen Aufzeichnungen in der U-Haft)

  zur Vervollständigung meiner Berichte zur Verhaftung am 25.7.94 (in Österreich durch bayerische Polizeibeamte)

  Nach dem ich am 26.7.94 zwischen 9.00 - 10.00 (Uhr) dem Ermittlungsrichter in Laufen (Bayern) vorgeführt und ohne Anwesenheit eines Rechtsanwalts formell Haftbefehl ausgesprochen wurde, wurde ich für den weiteren Verschub in eine Haftanstalt verbracht. Ob es sich dabei um die Anstalt in Laufen oder in Bad Rei­chenhall handelte, weiß ich nicht genau. Es ist für die nachstehende Schilderung der Aufnahmeprozedur auch unwichtig. *)

 

  Im Aufnahmeraum der Anstalt befanden sich zwei junge Vollzugsbeamte (ca. 35 Jahre alt). Einer saß vor einer Schreibmaschine. Ich wurde aufgefordert alle Ta­schen zu leeren. Viel war nicht vorhanden, da ich in Sommerkleidung war (kurzär­meliges Hemd u. Hose): Meine Geldbörse und mein Notizbuch (Taschenkalender) mit Geld, Kfz- Scheine (2 Stck), Briefmarken und etliche Notizzettel bzw. Visiten­karten. Mein Schlüsselbund wurde mir schon einen Tag vorher abgenommen. Au­ßerdem hatte ich noch einen Plastikbeutel mit meinem Kulturtaschenbehälter für Rasierapparat (und) Zahnbürste dabei.

 

  Das Geld und die Briefmarken, es waren auch deutsche Marken (dabei), die Kfz- Scheine und Geldbörse wurden mir abgenommen. Die Wegnahme der Briefmarken, was nicht erlaubt ist, führte dazu, dass ich während des folgenden 10- tägigen Ver­schubs keinen Brief frankieren konnte, um nahestehende Privatpersonen zu infor­mieren. Es können in solchen Fällen Briefe an den Verteidiger (unfrankiert) abge­geben werden.

Parallel zu dieser Aktion musste ich meine Personalien angeben. Der Beamte an der Schreib­maschine notierte alles und sagte lachend beim Einblick in den Haftbefehl: „Da haben wir ja einen interessanten Fall. Nun wollen wir mal loslegen und Ihnen den Arsch aufreißen“.

 Ich musste mich völlig ausziehen und bücken. Danach wurde meine Kleidung durchsucht, es wurde meine Größe ausgemessen und ich wurde fotografiert.

 

  Als ich danach wieder meine Unterhose anziehen wollte, wurde mir das verboten. Ich musste mich nackend in eine Ecke des Raumes stellen mit der Begründung, man sei mit der Durch­suchung meiner Sachen noch nicht fertig. Nach einigen Minuten war man damit wohl fertig. Ich machte Anstalten, mich wieder anzuziehen. Da hieß es: „So schnell geht das bei uns nicht“. Ich musste noch ein mal nackend vortreten, musste mich noch mal bücken und wurde abermals „begutachtet“.

 

  Anschließend durfte ich mich anziehen, meinen Plastikbeutel mit den Waschuten­silien nehmen und wurde in einen Nebenraum geführt, wo ca. 10 - 15 andere Häft­linge auf den Ab- oder Weitertransport warteten.

 

  Nach ca. 2 Stunden zwischen 14.00 - 14.30 Uhr traf mein Rechtsanwalt, Herr Strate, aus Hamburg ein. Wir sprachen vielleicht 10 - 15 Minuten miteinander. Herr Strate konnte noch durchsetzen, mir eine Stange Zigaretten, die er bei sich hatte, geben zu dürfen. Ich wurde dann in den vorgenannten Raum zurückgeführt. Nach ca. einer weiteren Stunde wurde uns eine Stulle belegtes Brot übergeben und dann begann ( für mich) der 10- tägige Verschub.

*) Wie ich später erfahren habe, war es die JVA Bad Reichenhall

Hamburg, den 28,8.1994                                                Gerd Löffler

 

Kapitel 4)

 

Wenn wir Tiere wären - „Episoden“ bei einer Reise durch Deutschland

 

      Mit ein paar Blessuren und Schrammen und einen Tag später auftretenden blauen Flecken an meinen Oberkörper und Armen war der Spuk erst mal beendet. Nach meiner zweiten Ver­haftung – dieses mal auf österreichischem Staatsgebiet nahe der bayerisch- deutschen Grenze – am Montag, den 25. Juli 1994, durch drei bayerische Polizeibeamte, bei der es zu gewaltsa­men Auseinandersetzungen zwischen mir und der Polizei kam, befand ich mich wieder in der Obhut der Bundesrepublik Deutschland.

 

      Als ich tags darauf erfuhr, dass ich mit einem Sammeltransport in die U- Haftanstalt  Hol­stenglacis nach Hamburg verbracht oder wie es Fachjargon heißt, verschubt werden sollte, kamen bei mir unangenehme Erinnerungen auf. Schon nach meiner ersten Verhaftung 1990 bei der über 4 Tage dauernden Verschubung von Bonn nach Hamburg hatte ich schlechte Er­fahrungen gemacht. Ich erinnerte mich an den Käfig im Gefangenentransportwagen, der über die Landstraßen mehrere Gefängnisse ansteuerte, bis ich dann endlich in Hamburg ankam und wo dann meine Laufbahn als Gefangener, vorerst als U- Häftling, begann. Der U- Richter beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe , der den ersten Haftbefehl 1990 angeordnet hatte, gab den Beamten des BKA die Anweisung, mich wieder mit einem PKW nach Ham­burg zu transportieren. Den Polizeibeamten war der Feierabend aber wichtiger. Sie ignorierten die Anweisung. Ein anderer Polizeibeamter brachten mich zur JVA Bonn. Sie waren mich los und ich lernte dann auf der Weiterfahrt nach Hamburg etwas kennen, was ich nicht für mög­lich gehalten habe und von dem jetzt die Rede sein soll, in dem ich etwas genauer auf die zehntägige Verschubung beginnend am 26. Juli 1994 von Bad Reichenhall nach Hamburg eingehe. Zehn Tage Erfahrung haben eine bessere Aussagekraft als Erlebnisse von 4 Tagen.

 

      Ich bin für die deutsche Justiz ein lästiger Zeitgenosse. Als Physiker und auch später als Inhaber einer kleinen Firma habe ich gelernt fast alles, was ggf. mal wieder wichtig werden könnte, in Form einer Notiz - mal kürzer mal ausführlicher- festzuhalten. Deswegen weiß ich auch heute noch genau, dass der Richter beim BGH die oben erwähnte Anweisung gab. Er wusste was mich erwartete, er und viele hundert Richter, Staatsanwälte und Beamte der Exe­cutive in der BRD wissen, dass Menschen auf Gefangenentransporte in der BRD je nach Dauer der Fahrt traktiert, gepeinigt und manchmal bis an die Grenze der Folter gequält  wer­den. Das geschieht nicht durch Menschen oder Personen direkt, aber die Verantwortlichen lassen die Umstände zu, die dazu führen. Sie wissen es und nehmen es hin, dass diese Um­stände und Verhältnisse nicht abgestellt werden. Der Richter beim BGH wusste auch es auch. Lobend sei erwähnt, er wollte es durch seine Anweisung vermeiden.

 

      Die erste Nacht vom 25. auf den 26. Juli 1994 verbrachte im Polizeigefängnis in Bad Rei­chenhall. Am 26. wurde ich dann Vormittags dem U- Richter in Laufen (Bayern) vorgeführt. Der wedelte mit einem 5 bis 10 Seiten starken Papier herum, dass ich noch nie gesehen hatte. Später erfuhr ich, das war der Grenzvertrag zwischen Österreich und Deutschland zur Ab­wicklung des Grenzverkehrs. Was ich zu meiner Verhaftung zu sagen hätte ? Ich forderte ei­nen Rechtsanwalt. Ja, der ist auf der Anreise. Er, der U-Richter, habe mit ihm telefoniert, aber den brauchen wir jetzt nicht. Ihre Festnahme ist rechtmäßig. Zu Gegenargumenten war ich gar nicht in der Lage, zumal ich das Papier nicht in die Hände bekam und sicher einen Tag oder länger gebraucht hätte, den Vertrag überhaupt zu verstehen. Die Republik Österreich protes­tierte später und forderte meine Rückstellung. Ich hatte Aufenthaltsasyl in Österreich und der zuständige Verwaltungsgerichtshof in Wien entschied Ende 1992, dass ich wegen eines an­geblich politischen Delikts (geheimdienstliche Agententätigkeit) nirgendwohin ausgeliefert werden dürfe. Jetzt entschied U- Richter in Laufen aber ganz schnell: Der Löffler bleibt ver­haftet und wird Hamburg transportiert. Er wird „verschubt“. Also erst mal zurück in die JVA Bad Reichenhall.

 

      Später habe ich durch Recherchen erfahren, dass in der BRD tagtäglich bis auf die Wochen­enden mit Sicherheit einige hundert Häftlinge kreuz und quer durch die BRD ver­schubt werden. Das ist also tagtäglich ein Dauerzustand seit dem Bestehen der BRD. Genaue Zahlen gibt es wohl nicht und können wahrscheinlich nur geschätzt werden. Wer macht sich schon diese Mühe. Im Rechtsstaat wird schon alles in Ordnung sein.

 

      Es handelt sich bei den „Fahrgästen“, also bei der Verschubung, um Beschuldigte bzw. Verdächtige, die irgendwo verhaftet wurden und um Strafgefangene, die verlegt werden oder zu irgendwelchen Gerichtsterminen erscheinen müssen. Die Gefangenentransporter, Busse, die von ihrer Dimension her mit großen Reisebussen zu vergleichen sind, steuern bei ihren Kreuz-  und Querfahren auf den Landes- und Bundesstraßen alle möglichen Gefängnisse der Republik an, entladen dort einige Häftlinge und nehmen zum Weitertransport neue auf. Die Kapazität dieser Busse schätze ich aus meiner Erfahrung auf mindestens 20 bis 25 Mann.

 

      Die Gefangenen werden in verschließbaren Kabinen untergebracht. Mal sind es Zwei- Mann- Kabinen, aber auch Einzelkabinen. Im vorderen Tei des Busses gab es nach meiner Er­fahrung auch eine Vier- Mann- Kabine. In der Mitte des Busses verläuft ein schmaler Gang. Seitwärts sind die nur von außen verschließbaren bzw. zu öffnenden Kabinen, die auf der Au­ßenseite des Busses mit einem Schlitz aus Panzerglas versehen sind, damit etwas Tageslicht reinfällt. Die „Fenster“- Schlitze sind so schmal, dass man nicht erkennen kann, wo man sich in diesem schönen Deutschland befindet. Lesen konnten wir kaum, keinesfalls für etwas län­gere Zeit, wenn man überhaupt etwas zum Lesen dabeihatte, denn wir waren ja zum Teil ir­gendwo verhaftet, anschließend gefilzt worden und meine Habseligkeiten bestanden nur aus einer Plastiktüte. Darin waren ein paar Toilettensachen mit ein paar Tabletten, auf die ich an­gewiesen war. Alles andere hat man mir weggenommen, außer der Geldbörse auch die Brief­marken, die ich zufällig bei meiner Verhaftung vor dem österreichischen Zollamt bei mir hatte. Aber ich hatte neben den Tabletten etwas sehr Wertvolles. Man hatte mir in der JVA Bad Reichenhall ein paar Blatt Papier, das in den Gefängnissen übliche graue Papier, wahr­scheinlich aus Altpapier hergestellt, und neben meiner Armbanduhr einen Kugelschreiber überlassen.

 

      Der Besitz einer Plastiktüte mit einer Toilettentasche, mit Zahnbürste und einigen Tablet­ten war in dieser Situation keinesfalls selbstverständlich. Das habe ich der Hartnäckigkeit meiner Lebensgefährtin, einer Österreicherin, zu verdanken. Sie war ja in die Handgreiflich­keiten mit der deutschen Polizei vor dem österreichischen Zollamt an der Grenze verwickelt worden, als die drei deutschen Beamten merkten, dass sie dort auf mich wartete und laut ge­gen diese Aktion protestierte, nachdem ich auf dem Boden lag und überwältigt wurde. Die deutschen Beamten versuchten ihre Taschen zu entreißen. Sie trug dabei ebenfalls leichte Verletzungen davon, aber schließlich, gewarnt von einem österreichischen Zollbeamten, lie­ßen die Deutschen von ihr ab. Nach einigem  Herumirren auf der Suche nach einem Telefon fuhr sie dann geschwind zu unserem nahegelegenem Zuhause und packte in Eile etwas in ei­nen Plastiksack, u.a. auch ein paar Tabletten, fuhr zurück über die Grenze nach Bayern und im letzten Moment konnte sie dort das deutsche Polizeiauto, in dem ich gefesselt saß, mitten auf der Straße nach Bad Reichenhall zum Anhalten bewegen. Ich war nämlich vor dem weite­ren Abtransport auf deutscher Seite in einer kleinen Polizeistation (Bayerisch Gmain) erst mal identifiziert worden. Mein Name war bisher in meiner Gegenwart nicht gefallen. Unter An­drohung von Gewalt wurde mir dort deutlich gemacht, dass ich bei diesen erkennungsdienstli­chen Maßnahmen meinen Namen sagen müsse. Ich war allein und mir war klar, die Polizei­beamten würden nicht lange herumfackeln. Also nannte ich meinen Namen, zumal mir klar war, das meine Identität den Beamten längst bekannt war, was sich später durch die Akten­lage auch bestätigte. Aus dieser Prozedur erklärte sich also die kleine Zeitverzögerung von vielleicht 15 Minuten bis zum weiteren Abtransport nach Bad Reichenhall. Mit einem unver­ständlichen Brummen waren die Polizeibeamten dann bereit zu stoppen und die Plastiktüte von meiner Lebensgefährtin entgegen zu nehmen.

 

      War das ein schöner Sommertag am 25. Juli 1994, als ich in Österreich gegen Mittag ver­haftet wurde. Es herrschte Hochsommerwetter, um diese Uhrzeit allerdings mit den entspre­chend hohen Temperaturen um ca. 30 Grad. Ich war nur mit einem Sporthemd und einer leichten Hose bekleidet. Mir war natürlich die Freude vergangen, als ich dann einen Tag spä­ter den Transportwagen besteigen musste. „Löffler, Kabine Nr. soundso“ hieß die Anweisung. Den anderen ging es genauso. Auf Transportfähigkeit wurden wir nicht untersucht. Nach ir­gendwelchen gesundheitlichen Beschwerden wurden wir nicht gefragt. Wir erhielten noch etwas zu trinken und als Wegzehrung zwei Stullen belegte Brote. Damit waren wir gerüstet für eine Reise auf einen Weg durch deutsche Lande, der uns unbekannt war. Über die Reise­dauer wurden wir nicht informiert.

 

      Nachdem alle Gefangenen „verladen“ waren, so die Sprachweise der begleitenden Vollzugs­beamten, setzte sich der Transportwagen in Gang. Die Dieselmotoren sprangen an. Ich wusste gar nicht genau wo ich war, obwohl ich das richtig vermutet habe. Von Bad Rei­chenhall ging es los, aber wohin ? Natürlich nach Hamburg in die U- Haft. Vier Tage hatte ich in gleicher Situation verbracht als ich 1990 von Bonn nach Hamburg verbracht wurde. Sollte es jetzt doppelt so lange oder länger dauern? Mir schwante Böses. So lange von der Außen­welt abgeschnitten ? Ich war in einer Zwei- Mann- Kabine. Mein Gegenüber, in dieser Situa­tion also mein Kollege, ein jüngerer Mann, hatte wie ich seine Habseligkeiten ebenfalls auf seinem Schoss. Mehr Platz war in der Kabine, die natürlich verriegelt war, nicht. Eine Abla­gefläche gab es nicht. Wir saßen auf einer Holzfläche, die man als Sessel hätte bezeichnen können, wenn sie Armlehnen gehabt hätte, und versuchten unsere Beine zu sortieren. Ausstre­cken konnten wir sie nicht. Wir mussten kerzengerade sitzen bleiben, um nicht miteinander ins Gehege zu kommen. Aufstehen konnte nur jeweils einer von uns. Dabei trat man unge­wollt dem anderen auf die Füße. Die Kabine war zu klein, viel zu klein, und u.a. deswegen ist die Bezeichnung Käfig keine Übertreibung. Wir musste schließlich etliche Stunden am Tag und viele Tage hintereinander darin ausharren. Etlichen anderen „Passagieren“ erging es ge­nau so.

 

      Nach einem kurzem Wortwechsel schauten wir erst mal durch den Sehschlitz, um herauszu­finden, in welche Richtung der Transporter sich in Bewegung gesetzt hatte. Das he­rauszufinden, war wegen der stark eingeschränkten Sicht nach außen unmöglich. Die Auto­bahnen wurde gemieden. Wir tuckerten auf Land- und Bundesstraßen durch Dörfer und klei­nere Städte dahin. Das konnten wir feststellen. Ich weiß heute noch nicht, wo ich überlall in Deutschland auf dieser Reise gewesen bin.

 

      Das Geräusch der Dieselmotoren war unser ständiger Begleiter. Schallschutz war in die­sem Gefährt kaum vorgesehen. Der Lärmpegel war so hoch, dass wir während der Fahrt keine Chance hatten , uns durch Rufen dem Begleitpersonal, routinierte Vollzugsbeamte, bemerkbar zu machen. Einen Klingelknopf oder gar eine Alarmanlage gab es in der Kabine nicht. Das Begleitpersonal saß sicher vorn bequem in der Führerkabine oder in einem anderen Abteil des Busses. Es mag sein, dass sie mal einen Kontrollgang gemacht haben. Das konnten wir aber aus der Kabine nicht erkennen, denn eine Sichtverbindung zum Mittelgang des Busses gab es nicht. Wir waren nicht allein in diesem Gefährt und waren es doch, eingeschlossen mit etwas Tageslicht, das uns durch den Sehschlitz zugestanden wurde, und hofften, dass dieser Tag bald zu Ende gehen möge. Es war wieder ein Hochsommertag und die Temperatur in der Ka­bine stieg und stieg. Es herrschten nach ca. zwei Stunden saunaähnliche Verhältnisse. Eine Toilette gab es offensichtlich nicht. Ich habe nie eine gesehen. Wir wurden auch nicht einge­wiesen, wie wir ggf. unsere Notdurft verrichten sollten. Aber wer schwitzt braucht ja auch nicht so schnell zur Toilette.

 

      Natürlich gab es eine Lüftung in der Kabine. In der Decke befand sich eine kreisrunde Öffnung von ca. 10 bis 15 cm Durchmesser und man sah, dass sich dort ein mehrarmiges Flü­gelrad drehte. Diese Rad beförderte Außenluft in die Kabine. Das bedeutete Sauerstoff, aber gleichzeitig bei den hohen Außentemperaturen in diesem Sommer auch Warmluftzufuhr in unseren Käfig. Mit einem Schieber sollte die Luftzufuhr geregelt werden. Einen solchen Schieber gab es auch unten an der Kabinentür, wo die Luft in den schmalen Zwischengang des Transporters wieder entweichen sollte. Alle ca. 15 oder 20 Kabinen waren so ausgerüstet. Einfach genial. Nur bei dieser Zahl von Kabinen funktioniert ein solches System nur effektiv, wenn auch ein konstantes Druckgefälle zwischen den Kabinen und dem Zwischengang ga­rantiert wird. Das war offensichtlich nicht gegeben. Das Herumdrehen an den Schiebern, das wegen der Enge sowieso einige Verrenkungen erforderte, war meine Hauptbeschäftigung am ersten Tag dieser Reise. Schließlich gaben wir es auf, hofften auf genügend Sauerstoff und ertrugen die Hitze der sich im Käfig stauenden Luft, in dem wir unsere Hemden auszogen. Es bedarf keiner besonderen Erklärung, dass der Bus sowieso durch die pralle Sonne insgesamt aufgeheizt wurde. So war das auch in den folgenden Tagen. Irgendwann waren fast jeden Tag die Temperaturen soweit angestiegen, dass man in die Nähe von Angstzuständen kam. Kreis­laufkollaps, ja das passiert im normalen Leben auch mal. Aber hier ? Wegen des Motoren­lärms hätte auch das Rufen oder Schreien nichts genutzt. Man hätte uns kaum gehört. Wir hatten auch keine Anweisung erhalten, was zu tun sei, wenn jemand zusammenklappt. Für diesen Fall hatte ich mir vorgenommen zu versuchen, rechtzeitig die Kabinentür einzutreten, was mir wahrscheinlich aber nicht gelungen wäre.

 

      Die „Rettung“ aus diesen misslichen Situationen waren die Pausen, die ca. alle vier Stun­den eingelegt wurden. Dort bekamen wir wieder etwas zum  Trinken und eine Suppe oder die Tagesspeise, wenn wir Zwischenstation bei einem Gefängnis machten. Übernachtet haben wir in den Gefängnissen, die angesteuert wurden, meistens in behelfsmäßig für jeweils eine Nacht hergerichteten Zellen. Eine Decke und eine Pritsche. Wir waren schließlich nur „Durchgangs­häftlinge“. Dann ging es am nächsten Tag um 6 oder 7 Uhr weiter. Da wir im Juli/ August 1994 einen anhaltenden Hochsommer hatten, blieb uns auch in den folgenden Tagen der „Komfort“ in den Kabinen – wie oben beschrieben – erhalten. Aber ich erlebte noch einmal eine Steigerung: 

 

      Jeden Tag wurden die Kabinen gewechselt. Wir wurden aufgerufen und hatten uns bei Betreten des Fahrzeugs in eine bestimmte Kabine zu begeben. Es existierte für das Beladen jeden Tag ein neuer Belegungsplan. Einmal habe ich Pech gehabt. Ich wurde schon beim Be­treten der Kabine am Ende des Transporters stutzig. Es war eine Ein- Mann- Kabine. Der Holzsitz war aber etwas höher angebracht als zuvor in den anderen Kabinen. Er befand sich auf einer Wölbung, d.h. die Kabine hatte keinen durchgehenden ebenen Fußboden. Der war nur andeutungsweise vorhanden, was das Stehen noch beschwerlicher machte. Fast kam ich mir beim Hinsetzten vor, als hätte man für mich einen kleinen Hochsitz eingerichtet. Als der Bus anfuhr, merkte ich, was los war. Unter meinem Sitz befand sich ein Aggregat. War es ein Kompressor für Druckluft oder gar der Dieselmotor? Ich weiß es nicht. Die Vibrationen schienen mir noch stärker als tags zuvor in einer anderen Kabine. Mit Sicherheit konnte ich aber feststellen, die Fläche auf die mein „Holzsitz“ montiert war, erwärmte sich zunehmend und nun wurde ich nicht nur von oben durch die Warmluft sondern auch noch von unten durch das Aggregat beheizt ...... In solchen Situationen überlegt man, was tun, wenn die Grenze des noch Erträglichen überschritten wird. Ich dachte wieder an das Eintreten der Tür. Ein „Probeversuch“ ergab aber ganz schnell, ich konnte wegen der Enge meine Beine gar nicht soweit anwinkeln, um die nötige Kraft aufzubringen, wirksam gegen die Kabinentür zu treten. Es blieb mir nur der Trost, dass nichts passieren und ich durchhalten würde. Ungefähr alle 10 Minuten schaute ich auf meine Armbanduhr. Jetzt muss doch bald die Pause kommen. Ich sitze doch hier in dieser Enge schon 2 oder 3 Stunden. Wann stoppt der Bus endlich? Die Zeit verstrich im Schneckentempo.

 

      Am Samstag / Sonntag, den 30./ 31. Juli 1994 waren wir schließlich in Frankfurt angekom­men. Im Gefängnis (welches?) konnten wir endlich pausieren. Ich war mit ca. 8 „Kollegen“ des Transports in einem Raum untergebracht. Wir schliefen in Stockbetten. Im Raum waren auch ein Tisch und vielleicht drei Stühle. Es war eng, aber ein Hauch von zivili­sierter Welt kehrte zurück. Wir konnten uns zum ersten Mal auf dieser Reise in einem etwas größerem Kreis kennenlernen und miteinander etwas ausführlicher reden. Wir durften unter die Dusche und bekamen auch einen Hofgang von einer Stunde eingeräumt. Unsere Wäsche zu wechseln war aber nicht möglich. Wir hatten nichts zum Tauschen. - Nun konnten wir aber ein paar Zeilen schreiben, denn unsere Verwandten, Bekannten, Freunde oder Rechtsanwälte wussten nicht, wo wir in Deutschland festsaßen. Aber schon tat sich die nächste Hürde auf. Wir hatten keine Briefmarken. Kostenlos wurden aber nur Briefe an Rechtsanwälte weiterge­leitet. Ein paar Groschen für Briefmarken hatten wir auch nicht. Geld wurde uns bei der Fest­nahme ja abgenommen. Telefonieren wurde nicht erlaubt und wäre ebenfalls am fehlenden Geld gescheitert. Wir waren also weiter isoliert. Das ist nach meiner Erfahrung die Praxis während der Häftlingstransporte Deutschland.

 

      Ich erinnere mich an einen Häftling, der nichts bei sich hatte, noch nicht mal eine Plastik­tüte und den man auch vor Tagen irgendwo aufgegriffen hatte. Er hatte noch keine Vertretung durch einen Rechtsanwalt und wollte mit einem Anwalt Kontakt aufnehmen. Ein Vollzugsbe­amter gab ihm ein Frankfurter Telefonbuch. Nach dem Alphabet könne er sich ja einen aussu­chen. Dieser Mann lief nun verzweifelt von einem zum anderen in unserer Gruppe und bet­telte um Kleingeld, um mit einem Rechtsanwalt aus seinem Heimatort telefonieren. Keiner von uns konnte ihm helfen. Während eines tagelang andauernden Transports ist die freie Auswahl einer Rechtsvertretung ein Märchen.

 

      Bei dieser Gelegenheit ließ ich mir in Frankfurt am 31. Juli von einem Kollegen einen noch sichtbaren Bluterguss und Schrammen an meinen Armen schriftlich bestätigen, die auf die Auseinandersetzung mit der Polizei 7 Tage zuvor zurückzuführen waren. Wir kamen na­türlich auch ausführlicher auf die miserablen und stressigen Transportbedingungen zu spre­chen. Der Kollege beschrieb unsere Situation in den Häftlingsbussen mit den Worten „ Wenn wir Tiere wären, hätte der Tierschutzbund schon längst Strafanzeige erstattet“. Diese tref­fende Beschreibung unserer Situation werde ich mein Leben lang nicht vergessen.

 

      Am nächsten Tag wurden wir wieder in den Transportwagen verfrachtet. Wir müssen gestunken haben, da die verschwitzte Wäsche bzw. Kleidung nicht gewechselt werden konnte. Die Reise ging unter den schon beschrieben Bedingungen weiter. Am Dienstag, den 2. August waren wir schließlich in Kassel angekommen. Ich war über eine Woche auf dem Transportweg. Von hier aus schrieb ich meinen Rechtsanwalt in Hamburg an. Diese Post wurde ja befördert. Ich berichtete ihm, dass meine Ankunft in Hamburg ungewiss sei schil­derte ihm u.a. die Bedingungen, die ich während des Transports vorfand:

 

      „Die Fahrt im Mannschaftswagen läuft unter den gleichen Bedingungen ab wie vor 4 Jahren. Wir werden eingezwängt auf kleinstem Raum. Für etliche Stunden steigen die Tempe­raturen wahrscheinlich bis zu 30 – 35 Grad C. Einige Häftlinge schreien und meutern und machen dadurch alles nur noch schlimmer. Es hat sich in diesem Bereich in Deutschland also nichts geändert“.

 

      Am gleichen Tag schrieb ich eine Beschwerde an die Leitung der JVA Kassel. Papier und einen Kugelschreiber gehörten ja zu meinen Besitztümern. Das Anfertigen einer Kopie war nicht möglich. Das ist schon in der normalen U- Haft ein großes Problem. Wer soll diese Ko­pie für einen Transporthäftling bezahlen? Aber in meinem Notizkalender steht für diesen Tag „Beschwerde“. Beschwert habe ich mich u.a. über die Transportbedingungen, nicht wissend, dass die Gefängnisleitung dafür gar nicht zuständig war. Dieser Beschwerde bin ich später nachgegangen. Ich habe nämlich nie eine Reaktion erhalten. Gelesen, gelacht, gelocht oder liegengelassen und verschwunden. Dies ergab ein Schriftwechsel mit der JVA Kassel und anderen Behörden im Jahr 2000, als ich schon längst wieder in Österreich war. Ich erfuhr da­bei, wie kompliziert die Zuständigkeit deutscher Behörden für Häftlingstransporte in Deutschland ist. Mal wechselt sie von Bundesland zu Bundesland, mal aber auch nicht. Die jeweils zuständige Behörde ist wahrscheinlich auch den Vollzugsbeamten in den Gefängnis­sen in vielen Fällen nicht bekannt. Schließlich erfuhr ich vom Polizeipräsidium in Kassel, dass dort meine Beschwerde nicht eingegangen war .......Transporthäftlinge sind offenbar Strandgut in unserem Staat.

 

      Nach 10 Tagen, am Donnerstag, den 4. August 1994, war ich endlich in Hamburg angekom­men. Die Tortour hatte ein Ende. Ich war erleichtert, nun endlich in der U- Haftan­stalt Holstenglacis zu sein, die ich ja aus dem Jahr 1990, als ich zwei Monate dort verbrachte, in Erinnerung hatte. Wahrscheinlich werden Häftlinge oder ehemalige Häftlinge nicht verste­hen, wie man bei Einlieferung in diese Anstalt in Hamburg als Erleichterung verspüren kann. Sie war (oder ist auch heute noch?) ein Schandfleck für eine Stadt, die sich Freie und Hanse­stadt nennt („Zustände in der U- Haft menschenunwürdig“, s. Die Welt vom 18.01.1995). Von einigen Häftlingen wurde sie zu meiner Zeit als die „Hölle des Nordens“ bezeichnet. Aber für mich war das vorläufige Einsperren in einen Raum, der mit etlichen Bettgestellen und wild herumliegenden Matratzen die erste richtige Entspannung nach 10 Tagen. Offen­sichtlich war es ein Abstellraum. Ich konnte es mir dort etwas gemütlich machen, bis ich nach ca. 2 oder 3 Stunden in eine richtige Zelle eingewiesen wurde. Als man mir den Restbestand meiner Tabletten wegnahm, hab ich mir nichts Böses dabei gedacht. Ich rechnete damit, zügig einem Arzt vorgeführt zu werden. Das aber dauerte zwei oder drei Tage. Die Begründung war, man könne so schnell meine Akte aus dem Jahr 1990 im Archiv nicht finden ........... Später habe ich mitbekommen, dass in dieser Anstalt von 700 bis 800 Häftlingen nicht einmal ständig ein Arzt anwesend war.

 

      Zurück zum Transport: Ich verfasste ungefähr 3 Wochen später einen ausführlichen Be­richt und schickte ihn auf dem in U- Haftanstalten üblichen Postweg, d.h. er wurde vom Oberlandesgericht gelesen, an einen Freund mit der Bitte, ihn dem Senator für Justiz in Ham­burg vorzulegen. In diesem Bericht vom 28. August 1994 heißt es abschließend:

 

„Der Sammeltransport von Untersuchungshäftlingen und Strafgefangenen in der Bundesrepu­blik Deutschland widerspricht

 

·       der Würde des Menschen

·       der Fürsorgepflicht für die Häftlinge

und

·       einer Reihe von technischen Sicherheitsvorschriften für Kraftfahrzeuge im Straßenver­kehr.

 

      Der letzte Punkt bezieht sich auf einen möglichen Unfall im Straßenverkehr. Dazu habe ich u.a. ausgeführt:

 

      „Bei einem Verkehrsunfall gibt es für die Häftlinge in ihren Kabinen keinen Fluchtweg. Die Kabinen sind vom Gang in der Mitte des Transportwagens mit einem Spezialschlüssel, d.h. von außen verriegelt. Die Verriegelung erfolgt also mechanisch. Es gibt dementsprechend keine zentrale Entriegelungsvorrichtung. Im Falle eines schweren Unfalls ist ein großer Teil der Häftlinge rettungslos verloren.“

 

      Die Antwort des damals parteilosen Senators für Justiz in Hamburg war „erhellend“. So etwas war ihm noch nicht über den Weg gekommen. Das mag aus seiner persönlichen Sicht stimmen.

 

      In der Hamburger Bürgerschaft war der Gefangenentransport 1990 schon einmal ein Thema. Völlig unabhängig von meiner Strafanzeige wegen dieser Missstände, die ich schon 1990 gestellt hatte, die aber wegen angeblich mangelnder Beweise von der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde, stellte die damalige GAL- Abgeordnete Dagmar Pelz, die also auf einem völlig anderen Wege auf dieses Problem aufmerksam wurde, zur Verschubung von Häftlingen im Januar 1991 eine Anfrage im Hamburger Parlament und machte auf diese Missstände auf­merksam. Und nun kam es ans Tageslicht:

 

      Das Hamburger Abendblatt berichtete am 22. Januar 1991 darüber mit einer großen Schlag­zeile „Am Rande der Menschenwürde“ und „Juristen und Politiker kritisieren Gefan­genentransporte“ ausführlich.  Die Fotos konnten nur Kenner der Szene etwas sagen, aber die Umstände solcher oft lang anhaltender Transporte, die Zustände während des Transports und in den Transportbussen wurden treffend beschrieben. Ein Seelsorger der U- Haftanstalt in Hamburg, dem die Zustände bekannt waren, wurde um Stellungnahme gebeten. Er wurde in der Zeitung u.a. mit den Worten zitiert: „Das geht tatsächlich an den Rand der Menschen­würde“. Der damalige Sprecher des Hamburger Anwaltvereins nannte die Transporte lt. Zei­tungsartikel als „menschenunwürdig“. Die Abgeordnete selbst wurde mit den Worten zitiert, „da ist bald die Grenze der Folter erreicht“.  Ein Professor für klinische Psychologie der Uni­versität Hamburg äußerte sich mit der Feststellung: „ Die Wahrscheinlichkeit, das Menschen in solchen Zellen Angstzustände bekommen, ist natürlich erhöht. Vor allem aber sind stun­denlange Fahrten in solchen Wagen ethisch nicht zu vertreten“. Die Sprecherin der Justizbe­hörde bezeichnete die Zustände als „nicht besonders angenehm ....Aber es gibt keine anderen Möglichkeiten. Wollte man die Gefangenen direkter und damit schneller Transportieren, würde das mehr kosten“. 

 

      Aus dem Artikel des Hamburger Abendblatts geht hervor, dass eine Einzelzelle in den Transportwagen ca. 70 mal 90 cm groß ist. Für eine Doppelkabine ist aber die effektiv zur Verfügung stehende Fläche für jeden Häftling – wir konnten nur unter Schwierigkeiten auf­stehen - noch geringer und deswegen bezeichne ich diese Zellen zusammen mit den sonstigen Umständen eines tagelangen Transports als Käfig.

 

      Weiterhin ergibt sich aus der Schilderung und nach den Recherchen des Journalisten, dass nach Hamburg jährlich ca. 2500 Häftlinge transportiert wurden. Der Leser möge selbst eine Hochrechnung anstellen, um zu erahnen, was sich tagtäglich auch jetzt im vereinten Deutschland unbemerkt von der Öffentlichkeit auf unseren Straßen abspielt.

 

      Im Jahr 1994 versuchte der Justizsenator in Hamburg auf meine Eingabe hin, alles im besten Licht erscheinen zu lassen. Die Missstände, wie sie 1991 durch die Anfrage im Parla­ment offensichtlich wurden, seien in Hamburg abgestellt worden. Der Tenor seiner Antwort also: In Hamburg gibt es so etwas nicht. Das „durchschlagendste“ Argument dieses Politikers war, Hamburg sei gar nicht für den Transport, mit dem ich 1994 in die U- Haft Holstenglacis verbracht worden war, zuständig gewesen. Hamburg sei aufgrund einer bundesweiten Ab­sprache für die Transporte „Hamburg- Stade- Bremen und zurück sowie Hamburg- Lübeck und zurück“ zuständig. Ich sei außerdem nicht mit einem Hamburger Transportfahrzeug be­fördert worden. So ein Pech für mich, ich bin nämlich, wie sich aus der Antwort des Senators ergibt, ausgehend von Bad Reichenhall die Strecke München- Nürnberg- Frankfurt- Kassel- Hannover schließlich nach Hamburg transportiert worden. Andere Landesbehörden waren demnach für mich zuständig. Ob meine Eingabe wohl weiter gereicht wurde ? Ich habe nie wieder etwas davon gehört. Gelesen, gelacht und gelocht ?

 

      Nun kann man dagegen einwenden, das war alles so 1990 oder 1994, aber jetzt sind 10 bis 15 Jahre vergangen und die Rechtsstattlichkeit der Bundesrepublik ist auf einem so hohen Stand, dass erkannte Missstände, die zumal noch gegen die Menschenwürde verstoßen,  abge­stellt werden. Die Bundesrepublik ist schließlich kein „Unrechtsstaat“. Davon war ich nie voll überzeugt. Dort wo keine Lobby vorhanden ist, werden Missstände geduldet, mit dem Kos­tenargument gerechtfertigt oder schlichtweg ignoriert, wenn es sich bei den Betroffenen – wie in diesem Fall – um eine Minderheit handelt.

 

      Etwas unerwartet stellte sich aber jetzt im Jahr 2005 heraus, dass meine Aufzeichnungen und Dokumentationen über den geschilderten Vorgang, auch wenn ich gut 10 Jahre warten musste, bestätigt wurden. Ich stieß auf einen Artikel in der Zeitschrift für Rechtspolitik, Aus­gabe 3/ 2005. Der Straf- und Ermittlungsrichter Christian Kropp beim Amtsgericht Sonder­hausen veröffentlichte dort einen Beitrag zum Thema „Rechtswidrigkeit des gegenwärtigen Gefangenentransports“. Neben etlichen Fragwürdigkeiten solcher Transporte aus juristischer Sicht, stellte er nicht nur fest, dass man über solche Transporte „so gut wie nichts“ in der Rechtsliteratur findet, sondern auch Folgendes:

 

      „Es gibt Menschen, die längere Zeiträume auf einer Fläche von weniger als einem halben Quadratmeter in Omnibussen transportiert werden, im Sommer dabei nicht selten in praller Hitze. Auf diese Weise werden sie von Anstalt zu Anstalt ohne Außenkontakt oder Kontakt­möglichkeit zu ihrem Rechtsanwalt befördert. Wer jetzt meint, es handele sich um die Be­schreibung einer Szene aus einem Staat in der so ge­nannten Dritten Welt, der irrt. Beschrie­ben ist die gegenwär­tige Praxis des Gefangenentransports, wie sie in Deutschland trauriger Alltag ist. So dauert etwa eine Fahrt in dieser Form von Freiburg i. Br. nach Stralsund 16 Tage, von Aachen nach Dresden 15 Tage.........Dass ein solcher Transport unter Umständen rechtsstaatswidrig und menschenunwürdig ist, liegt nahe.“

 

Weiter heißt es dort in diesem Beitrag:

 

        Eine lange Transportdauer, und dieser in der Praxis nicht selten anzutreffende Fall soll hier die Grundlage bilden, be­deutet für den Beschuldigten über physische Strapazen hi­naus zahlreiche Einschränkungen. In dieser Zeit besteht keine Kontaktmöglichkeit nach außen, etwa in Form eines Briefkontakts. Zwar wird der Beschuldigte Briefe in der jeweiligen Justiz­vollzugsanstalt, in der er übernachtet, ver­senden, jedoch kaum welche von Dritten erhalten können. Ein Besuch von Angehörigen oder durch seinen Rechts­anwalt ist dabei gar nicht möglich, Telefonkontakte sind zudem erheblich eingeschränkt. Stellt der Beschuldigte in die­ser Zeit des Transports Anträge, so dürfte eine rechtzei­tige und zeitnahe Erreichbarkeit des zuständigen Gerichts kaum zu gewährleisten sein.

 

und

      „Die Bedingungen des Transports sind in beiden Bereichen (Anmerkung: Angeklagte und Strafgefangene) zudem vielfach nicht mehr menschenwürdig. Die geringe Verweilfläche, Strapazen auf längeren Transporten als sol­che, Hitze und Kälte und die Transportdauer degra­dieren den Beschuldigten zum Objekt staatlichen Handelns. Die Praxis ist somit in ihrer aktu­ellen Ausgestaltung schlicht verfassungswidrig, Art. l I GG........Es bleibt daher festzuhalten: Der Transport von Gefangenen und Angeklagten im Vollzug bzw. im Haftrecht ist für längere Zeiträume grundgesetzwidrig und verstößt unter den gegebenen Umständen gegen die Men­schenwürde.“

 

      Diese Feststellungen stammen von einem Straf- und Ermittlungsrichter aus dem Jahr 2005! Manchmal muss man wohl im Leben 10 Jahre oder länger warten können. Mir allein hat man mit Ausnahme einiger Freunde nicht geglaubt und hätte es auch zukünftig nicht getan.

 

      Die Bundesrepublik Deutschland verstößt seit vielen Jahren in den dargelegten Fällen gegen das Recht. Davon sind eine nicht genau bekannte Anzahl Menschen tagtäglich betrof­fen und über die Jahre und Jahrzehnte hinweg sind es viele tausend Menschen, mit denen rechtswidrig umgegangen wurde. Sie wurden und werden nicht nur gedemütigt. Sie wurden und werden so traktiert wie von mir geschildert. Sie wurden und werden gepeinigt. Die Bun­desrepublik Deutschland ist eben nicht der Rechtsstaat für den sie sich hält. Welchen Schaden und welche Verletzungen an Häftlingen hat diese Republik bisher schon angerichtet?

 

 

 

 

Krumpendorf (Österreich), den 28. November 2005                                   Gerd Löffler